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Lasset die Waffen sprechen: Sprichwörter mit Waffen-Bezug

Hinter welchen deutschen Redewendungen verbergen sich Verweise auf die Welt der Waffen? Auf der Suche nach sprachlichen Hinterlassenschaften der blutigen Seite der europäischen Geschichte stößt man auf die eine oder andere Überraschung.

Im Alltag nehmen wir unsere Sprache vor allem als praktisches und selbstverständliches Kommunikationsmittel wahr. Doch wer sich näher mit ihr auseinandersetzt, entdeckt überall Spuren unserer Geschichts- und Kulturentwicklung. Sprache ist ein komplexes, vielschichtiges Gebilde, das lebt, sich verändert und so auch als kollektives Gedächtnis unserer Kultur verstanden werden kann. Jede Phase unserer Kulturgeschichte hat Spuren in ihrer Struktur hinterlassen, die wir häufig gar nicht mehr bemerken. Das gilt auch für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit. Wir begeben uns auf Spurensuche: Hinter welchen Begriffen und Redewendungen der deutschen Sprache stecken Bezüge auf die kriegerische Vergangenheit unserer Kultur, die uns teilweise gar nicht mehr bewusst sind?

„das Heft in die Hand nehmen“

Bedeutung: zur Tat schreiten; aktiv werden; die Führung übernehmen

Herkunft: Beim sprichwörtlichen Heft, das in die Hand genommen wird, wenn jemand in Aktion tritt, handelt es sich nicht um ein Notiz- oder Schulheft. Waffenkenner wissen: Das „Heft“ ist der Griffbereich von Schwertern und anderen Blankwaffen. Wer das Heft in die Hand nimmt, greift folglich zur Waffe. In dieser Redewendung zeigt sich deutlich die Haltung der mittelalterlichen Gesellschaft zur Gewalt: Der Griff zur Waffe war gleichbedeutend mit Mut, Aktionismus und Dominanz. Heutzutage kann man seine Tatkraft zum Glück auch durch den beherzten Griff zu Telefonhörer oder Autoschlüssel beweisen.

„über die Klinge springen lassen“

Bedeutung: jemanden zugrunde richten; jemanden aus dem Weg räumen

Herkunft: Diese Redensart zeigt das trockene, fast zynische Verhältnis unserer Vorfahren zu Gewalt und Tod. Denn das „über die Klinge springen lassen“ bezieht sich lediglich auf den Kopf einer Person. Die Formulierung ist also ein Euphemismus für das Enthaupten. Das Richtschwert fällt, und der Kopf (der auch schon im Mittelalter als Sitz der Persönlichkeit galt), „springt“ über die Klinge – nur eben ohne den Rest des Körpers. Heute ist mit dieser Redensart zum Glück meist nur noch das Zugrunderichten im übertragenen Sinne gemeint: Wer heute über die Klinge springen muss, tut dies meist „nur“ im  beruflichen, juristischen oder finanziellen Sinne.

„Spießer“

Bedeutung: Biedermann; rückständige, intolerante, engstirnige Person

Herkunft: Ein „Spießbürger“ oder kurz „Spießer“ war im Mittelalter eine sehr angesehene Person: Er gehörte zur Stadtwache, die für die innere und äußere Sicherheit sorgte. Die Spießbürger waren mit langen Speeren – Spießen eben – ausgerüstet, da diese günstig herzustellen waren und auch in den Händen von „Teilzeitkämpfern“ ohne militärische Ausbildung effektiv eingesetzt werden konnten. Zur nachträglichen Bedeutungsveränderung des Wortes in Richtung „rückständig“ und „engstirnig“ gibt es zwei Theorien. Die erste besagt, dass viele Stadtwachen ihre Bewaffnung aus Tradition auch lange nach der Erfindung des Schwarzpulvers noch behielten – sie gingen also nicht mit der Zeit und zeigten dadurch ihre Rückständigkeit. Die andere These bezieht sich weniger auf die Militärtechnik als auf die Polizei-ähnliche Rolle der Spießbürger in Friedenszeiten: Sie waren es, die allzu ausschweifende Trinkgelage und andere kleinere Verstöße gegen die öffentliche Ordnung mit vorgehaltenem Spieß beendeten. Wenn die Spießer kamen, war der Spaß also vorbei.

„den Bogen überspannen“

Bedeutung: es übertreiben; einen Schritt zu weit gehen; durch hohe Risikobereitschaft scheitern

Herkunft: Das Bogenschießen gehört zu den ältesten und gleichzeitig langlebigsten den Menschen bekannten Fernkampftechniken: Die ältesten steinzeitlichen Pfeilspitzenfunde sind viele zehntausend Jahre alt. Und auch wenn Schießpulverwaffen den Bogen ab dem 15. Jahrhundert von den Schlachtfeldern verdrängten, kommt dieser bis heute auf der Jagd und im Sport zur Anwendung. Kein Wunder, dass auch der Bogen seine Spuren in der Sprache hinterlassen hat. Wer beim Bogenschießen zu heftig an der Sehne zieht, um einen besonders kraftvollen Schuss zu bewerkstelligen, riskiert, dass der Bogen bricht oder die Sehne reißt.

„etwas im Schilde führen“

Bedeutung: geheime Pläne haben; etwas vorhaben, von dem andere nichts wissen sollen; etwas aushecken

Herkunft: Diese Redensart hat ihren Ursprung in der Heraldik: „Im Schilde“ führte der Adel sein Wappen. Zu wissen, was jemand im Schilde führt, bedeutet daher im Grunde, zu wissen, wer jemand ist – und damit auch, auf wessen Seite er steht und was seine Agenda ist. In den unübersichtlichen Konflikten des Mittelalters war es häufig wichtig, schnell zu erfahren, welchem Adelsgeschlecht ein Fremder angehörte – denn natürlich trug nicht jeder immer Wappenschild und Banner bei sich. Wenn sich ein Herrscher zu seinen Vertrauten neigte und wissen wollte: „Was führt der Kerl wohl im Schilde?“, dann hieß dies im Grunde: „Wer ist das und was will er?“ Ursprünglich hatte die Redensart also nicht die negative Bedeutung, die sie im Laufe der Zeit bekommen hat.

„das Wasser abgraben“

Bedeutung: jemandes Position schwächen; an jemandes Stuhl sägen

Herkunft: Mittelalterliche Burgen wurden durch viele Maßnahmen gegen die Eroberung durch den Feind geschützt. Dazu gehörte neben zinnenbewehrten Mauern, Pechnasen und Zugbrücken auch häufig ein mit Wasser gefüllter Burggraben. Dieser sollte Feinde daran hindern, mit Rammen, Leitern und anderem Belagerungsgerät an die Mauern heranzukommen. Eine der wenigen Methoden, einen solchen Burggraben zu überwinden, bestand im Anlegen eines kleinen Kanals, der das Wasser aus dem Graben abführte. Dies war unter Beschuss von den Mauern der Burg sicher keine angenehme Aufgabe und brachte die Belagerer ihrem Ziel nur einen kleinen Schritt näher, doch das Abgraben des Wassers war immerhin ein erster Schritt, um die Position der Verteidiger zu schwächen.

„in die Bresche springen“

Bedeutung: jemandem in einer Notlage helfen; sich aufopfern, wenn es sonst niemand tut; für jemand anderen einspringen

Herkunft: Auch diese Sprachfigur hat ihren Ursprung im Belagerungswesen. Hatte man dem Feind erst einmal das Wasser abgegraben, kamen Belagerungsmaschinen wie Katapulte und Rammen zum Einsatz, um die Mauern zum Einsturz zu bringen. „Bresche“ nannte sich die typischerweise trapezförmige Lücke, welche die Angreifer im Erfolgsfall in die Mauer schlugen. Ein verteidigender Soldat, der in diese Bresche sprang, bewies damit Mut und Aufopferungswillen, denn er würde der erste sein, den die Wucht des feindlichen Stürmungsversuches traf.

„einen Bock schießen“

Bedeutung: in ein Fettnäpfchen treten; etwas sehr Dummes tun; mit etwas spektakulär scheitern

Herkunft: Mit dieser Formulierung ist nicht etwa gemeint, dass ein Jäger statt eines Rehs oder Wildschweins versehentlich Nachbars Ziege abschießt. Vielmehr wurde seit dem 15. Jahrhundert auf den traditionellen Schützenfesten dem schlechtesten Schützen als Trostpreis ein Ziegenbock geschenkt. Wer „einen Bock geschossen“ hat, lag demnach mit einer Aktion spektakulär daneben.

„Ross und Reiter nennen“

Bedeutung: Tacheles reden; einen Sachverhalt vollständig aufklären; die Schuldigen schonungslos benennen

Herkunft: Im mittelalterlichen Turnierwesen traten schwer gepanzerte Ritter auf ihren Schlachtrössern gegeneinander im Lanzenstechen an. Die eindrucksvollen Vollharnische der Ritter hatten den Nebeneffekt, dass die Gesichter der Turnierteilnehmer schwer bis gar nicht zu erkennen waren. Damit das Publikum dennoch nicht den Überblick darüber verlor, wer jeweils gegeneinander antrat, war es die Aufgabe eines in der Heraldik geschulten Herolds, die Kämpfer anhand ihrer Wappen zu erkennen und mit vollständigem Namen auszurufen. Ähnliche Rituale kennen wir heute noch aus dem Boxsport, bei dem freilich deutlich mehr von den Gesichtern der Kontrahenten zu sehen ist. Und da ein kräftiges, gut trainiertes Schlachtross beim Lanzenreiten mindestens so wichtig war wie der Reiter, rief der Herold auch die Namen der Pferde aus. War dies für beide Kontrahenten und ihre Reittiere geschehen, stand der ritterlichen Auseinandersetzung nichts mehr im Wege. Wenn heute also jemand aufgefordert wird, Ross und Reiter zu nennen, ist damit gemeint, dass alle Beteiligten genannt werden müssen, damit einer offenen Auseinandersetzung (z. B. im politischen oder wirtschaftlichen Bereich) nichts mehr im Wege steht.

„(Du kannst mir mal) den Buckel runterrutschen“

Bedeutung: Ablehnung der Wünsche/Meinungen eines anderen; offensive Bekundung von Antipathie

Herkunft: Aus dem heutigen Sprachgebrauch abgeleitet liegt die Vermutung nahe, dass mit dem Buckel hier der Rücken gemeint ist – und die Aufforderung, ebenjenen herunterzurutschen, das Gegenüber zum Aufenthalt in der Gesäßregion einladen soll. Das ist aber nicht der Fall. Die Herkunft dieser Redewendung ist deutlich düsterer und sehr kriegerisch: Gemeint ist hier nämlich der Schildbuckel – jenes meist aus Metall gefertigte Mittelstück, das schon die Schilde der antiken ägyptischen Armeen verstärkte. Die Sprachfigur „du kannst mir mal den Buckel runterrutschen“ bezieht sich auf die Tatsache, dass getötete Gegner im Nahkampf häufig nach vorne auf den siegreichen Kämpfer kippten und am Schild entlang zu Boden glitten – sie rutschten also sterbend oder tot „den Buckel herunter“. Im eigentlichen Wortsinne ist diese Sprachfigur daher schlicht eine verschlüsselte Variante von „ich bring dich um“. Allerdings sollte man sich heutzutage nicht existenziell bedroht fühlen, wenn jemand zu dieser Wortwahl greift – gemeint ist im Kern heute in etwa „leck mich am A…“.

„etwas auf der Pfanne haben“

Bedeutung: etwas (Geheimes) vorhaben; etwas in Arbeit haben; besonders leistungsfähig sein

Herkunft: Auch diese Formulierung legt einen Fehlschluss nahe: Sie hat nichts mit Kochkünsten zu tun. Mit „Pfanne“ ist hier die Zündpfanne früher Schwarzpulverwaffen gemeint – die metallene Halbschale am Zündmechanismus von Musketen und Pistolen, in die das Schwarzpulver gestreut wurde. Wer etwas auf der Pfanne hat, ist also bereit zum Schuss. Insofern handelt es sich bei dieser Redewendung um eine jüngere Variante von „das Heft in der Hand haben“: Auch hier wird die Bereitschaft zum Kampf sprachlich gleichgesetzt mit Handlungsbereitschaft und Macher-Mentalität.

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