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Die Französische Revolution an ihrem Wendepunkt

Als am 21. Januar 1793 der ehemalige französische König Ludwig XVI. nach dem Urteil des Nationalkonvents auf dem Revolutionsplatz guillotiniert wurde, befand sich die Französische Revolution an einem entscheidenden Wendepunkt. Mit dem unrühmlichen Ende des letzten absolutistischen Herrschers war das „Ancien Régime“ endgültig Geschichte, jene Herrschaft der Bourbonen, die seit 1589 über 200 Jahre durchgängig an der Macht waren. Andererseits versuchte Frankreich das Experiment einer radikal-demokratischen Republik, was jedoch auch die Zeit des „Großen Terrors“ einläutete.

Das absolutistische Herrschaftssystem hatte 1789 ausgedient. Seit 200 Jahren saßen die Bourbonen auf dem französischen Thron, verstanden sich als Monarchen „von Gottes Gnaden“ und verwalteten einen Staat, der in allen Belangen von ihnen abhängig war. Doch mit dem Pomp in Versailles war es schlagartig vorbei, als sich staatliche Finanznöte, aufklärerisches Gedankengut und Hungersnöte zu einem Volkszorn bündelten, der sich in der Revolution entlud. Doch Generalstände und die einberufene Nationalversammlung hatten bei weitem nicht die Abschaffung der Monarchie im Sinn, vielmehr war es ein Kampf um die Beseitigung adliger und klerikaler Privilegien und für mehr Rechte und Freiheiten des Volkes. Die Verfassung vom 3. September 1791 sah somit für Ludwig XVI. eine repräsentative Stellung als Oberhaupt der Bürger mit einem aufschiebenden Vetorecht im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie vor. Doch gärende Konflikte in den revolutionären Lagern und die Angst vor den umtriebigen Kräften der Gegenrevolution sorgten dafür, dass dieser Zustand nicht lange währte. Der König und seine Frau Marie Antoinette – die mit ihrer Familie mittlerweile in das Tuilerien-Schloss umziehen mussten – verschärften mit ihrem Gebaren die Lage noch weiter. Wurden sie im Volk eh schon als „Monsieur et Madame Veto“ verhöhnt, verursachten sie durch ihr Bemühen, adlige Verbündete im Ausland zu finden um den vorrevolutionären Status Quo wieder herzustellen, weiteren Unmut.

Die Gefahr eines Einschreitens der anderen europäischen Mächte bestand ohnehin, denn die Abschaffung des Feudalwesens in Frankreich berührte mitunter auch die Ansprüche anderer Fürsten, wie zum Beispiel bei päpstlichen Besitzungen in Südfrankreich und bei denen deutscher Reichsfürsten im Elsass. Desweiteren kam es im Zuge des Revolutionsjahres zu einer regelrechten Emigration der privilegierten Stände zu ausländischen Fürstenhöfen, von denen aus die Wiederherstellung der Monarchie geplant werden sollte. Doch auch die brieflichen Gesuche Marie Antoinettes an ihren Bruder, Kaiser Leopold II., stießen zunächst auf eher verhaltene Reaktionen. Dieses Gleichgewicht der Unsicherheiten wurde in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1791 durch Ludwig selbst zunichte gemacht: Es gelang der königlichen Familie, aus dem von Nationalgardisten bewachten Schloss zu entkommen, um in Kutschen Richtung Österreichische Niederlande zu fliehen. Da sie sich dabei aber nicht sonderlich geschickt verhielten und unterwegs mehrfach erkannt wurden, konnten die royalen Flüchtlinge noch kurz vor der belgischen Grenze abgefangen und nach Paris zurückgeführt werden. Man witterte – zurecht – einen „aristokratischen Komplott“, der zur Folge hatte, dass nun in den politischen Klubs von Wortführern wie Marat, Danton oder Robespierre offen die Absetzung des Königs (und somit die Abschaffung der Monarchie) gefordert wurde.

Die nun doch sehr missliche Lage des französischen Monarchen veranlasste Österreich-Ungarn und Preußen zu einer militärischen Drohung gegen Frankreich, die allerdings die Kampflust der Revolutionäre nur steigerte, welche ihrerseits nun den Krieg erklärten. Die Realität versetzte der anfänglichen Euphorie schnell einen gehörigen Dämpfer, da man den verbündeten europäischen Truppen so gut wie nichts entgegensetzen konnte. Man vermutete Verrat aus den eigenen Reihen und es wuchs die Überzeugung, bei Hofe würden die patriotischen Kriegsanstrengungen sabotiert. In dieses Bild passte die Bekanntgabe des – nicht sehr weitsichtigen – Manifests des Herzogs von Braunschweig, dem Oberbefehlshabers der preußischen und österreichischen Truppen, die zum Einmarsch in Frankreich bereitstanden. Es hatte die Befreiung und Wiedereinsetzuung Ludwigs XVI. zum Ziel und forderte die widerstandslose Unterwerfung der französischen Truppen, Nationalgardisten und der Bevölkerung. Das Manifest drohte eine „militärische Exekution“ (Besetzung und Plünderung) von Paris an, falls dem König oder seiner Familie auch nur die geringste „Beleidigung“ zuteil würde und allen irgend politisch Verantwortlichen der Stadt wurde bei Widersetzlichkeit Kriegsgericht und Todesstrafe in Aussicht gestellt. Diese Proklamation erwirkte das exakte Gegenteil. In den Pariser Sektionen wurden umgehend Vorbereitungen zum Aufstand getroffen und es kam zu einer Art Revolution innerhalb der Revolution. Am Morgen des 10. August 1792 bildeten die Sektionen eine aufständische Kommune, die die bisherige Stadtverwaltung verjagte und an deren Stelle trat. Der Kommandeur der Nationalgarde wurde umgebracht und ersetzt, und gemeinsam zog diese mit Massen von Handwerkern, Händlern und Arbeitern vor die Tuilerien und erstürmten sie gegen den aufopfernden Widerstand der Schweizergarde. Es gab zwar hunderte Toten auf beiden Seit, doch dieser Tuileriensturm war das faktische Ende des alten, bourbonischen Königtums in Frankreich. Die königliche Familie war noch vor dem Angriff aus ihrem Schloss geflohen und hatte sich in den Schutz der Nationalversammlung begeben, die nun auf Druck der Volksmassen die vorläufige Absetzung des Königs und seine Gefängnisverwahrung im Temple beschloss.

Die ausschlaggebende, politische Autorität besaß nun die Kommune, die in der Folge die Selbstauflösung der Nationalversammlung und Neuwahlen zu einem Nationalkonvent durchsetzen konnte. Die Verfassung von 1791 hatte damit ausgedient und das Augenmerk richtete sich sofort auf die Feinde – im Äußeren wie im Inneren. Zehntausende Männer wurden für die Front ausgehoben und Überwachungsausschüsse für alle als revolutionsfeindlich Verdächtigten eingerichtet. Nun füllten sich die Gefängnisse mit Priestern, Journalisten und Hofbediensteten, was zum Zeitpunkt des Ausrückens der Truppen als Bedrohung der Revolutionsmetropole von innen empfunden wurde. Die Lage war – gelinde gesagt – angespannt, denn in einer Spontanaktion von Föderierten, Nationalgardisten und Sansculotten wurden vom 2. bis 6. September zwischen 1.100 und 1.400 Gefängnisinsassen hingemetzelt. Doch die Eröffnungssitzung des neu gewählten Nationalkonvents 21. September stand unter einem besseren Stern, denn das Revolutionsheer war siegreich, die äußere Bedrohung vorerst abgewendet und die ersten Beschlüsse der neuen Regierung eindeutig: Die Monarchie wurde abgeschafft und Frankreich war fortan eine Republik.

Dem entthronten König wurde ab dem 11. Dezember vor dem Nationalkonvent der Prozess gemacht. Belastende Korrespondenzen mit revolutionsfeindlichen Fürsten, die in einem Geheimschrank der Tuilerien gefunden wurden, machten diesen Schritt unumgänglich. Robespierre betonte vor dem Konvent: „Wenn nicht der König schuldig ist, dann sind es die, die ihn abgesetzt haben“. Somit konnte der Konvent, der Ankläger und Richter in einer Person war, den König gar nicht freisprechen, da dies einer Selbstanklage gleichgekommen wäre. Verurteilt wegen „Verschwörung gegen die öffentliche Freiheit und die Sicherheit des gesamten Staates“ („la conspiration contre la liberté publique et la sûreté générale de l’État“), wurde er am Vormittag des 21. Januar 1793 als Bürger Louis Capet mit einer Guillotine enthauptet.

Dieser unrühmliche Abgang verursachte im Lande deutlich weniger Wirbel, als man vielleicht vermuten würde. Wie die Historiker François Furet und Denis Richet anmerken: „Außer in Paris und in den Versammlungen ruft der Prozess gegen Ludwig den XVI. keinerlei Begeisterung hervor. Dieses Schweigen eines ganzen Volkes beim Tod seines Königs beweist, wie tief der Bruch mit den jahrhundertealten Empfindungen der Menschen schon ist. Der Gesalbte Gottes, der mit allen Heilskräften Begabte wird ein für allemal mit Ludwig XVI. zu Staub. Man kann zwar zwanzig Jahre später die Monarchie wieder aufrichten, nicht aber die Mystik des geweihten Königs.“

Am 16. Oktober 1793 wurde nach einem kurzen Prozess auch seine Frau Marie Antoinette auf dem Revolutionsplatz (heute „Place de la Concorde“) guillotiniert. Sein überlebender Sohn Louis Charles starb im Alter von zehn Jahren im Temple-Gefängnis.

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